Zoroastrische Religion im Iran – Geschichte und Gegen­wart

Mohammad Shokri-Foumeshi

Zoroastrismus bezeichnet die Religion des iranischen Propheten Zara­thustra, dessen noch umstrittene Geburtsdatum sowie Geburtsort zwi­schen 600 bis 1500 v. Chr., irgendwo im Nordosten von Groß-Iran (Khwarezmien, Baktrien oder woanders) vermutet wird.

Zarathustra wuchs in einer Gesellschaft sesshafter Hirten der Bronzezeit auf. Die avestischen Texte stellen ihn als ein religiöser Reformer vor. Zoroastrismus, selbst Erbe älterer Religion, hat viele Götter der vererbten Religionen aufge­nommen, um ihnen in einem neuen Religionsentwurf neue Aufgaben zu zuwei­sen.

Nach der Begegnung mit dem Vohu-Manah (dem guten Denken, etwa gleich dem heiligen Geist) stellte Zarathustra den Ahuramazdā, dem Äquivalent vom Varona aus der indoiranischen Religion mit der Bedeu­tung „weiser Herr“ an der Spitze des Pantheons. Diese Wahl lässt die enorme Bedeutung des Wissens und der Weisheit für die Erkenntnis des Mikro- und Makrokosmos aus der Sicht Zarathustra erahnen.

Wichtigste Charakteristik von Zoroastrismus ist ihr Dualismus, der je­doch von den Gläubigen nicht als Anbetung zweier Prinzipien verstanden wird, denn Gott und Satan können nicht zusammen verehrt werden. Dua­lismus ist hier, nach Ansicht mancher Experten, in der Bedeutung von Glauben an einem Zweiheits­prinzip in der Welt, nämlich das Prinzip des Guten (als Gottessinbild) und des Bösen (als Symbol des Teufels).

In jedem Fall was weniger angezweifelt werden kann ist die Tatsache, dass Angra-Mainiyu (Mittel- und Neupersich Ahriman) in den von Za­rathustra selbst verfassten Texten dem Ahuramazdā (dem Gott) nicht gegenübersteht, sondern der Angra-Mainiyu wird als Zwilling dem Spanta-Mainiyu als Haupt-Reprä­sentanz von Ahuramazdā und dessen Geist bzw. Denkweise gegenüber gestellt.

Zoroastrismus ist vermutlich die älteste Offenbarungsreligion mit direk­tem oder indirektem profunden Einfluss auf die Menschheitswelt. Sie beeinflusste später Judentum, Christentum und Islam und sogar den Ma­hayana-Zweig des Buddhismus. Dieser Umstand macht das Studium von Zoroastrismus für jeden Religionswissenschaftler notwendig. Treue der Gläubigen sowie herausragende Prinzipien sicherte im Laufe der Jahrtau­sende die Überlebensfähigkeit von Zo­roastrismus.

 

Quellen der zoroastrischen Religion

Die Lehren Zarathustras sowie zoroastrische Traditionen sind in einem Kanon, dem Avesta zusammengestellt. Das Avesta selbst besteht aus fünf Büchern mit den Titeln Yasna, Yašt, Vendidād, Visparad und Xordeh-Avesta (Klein-Avesta). Die Gathas, von Zarathustra selbst verfasst, stel­len als Teil von Yasna, den ältesten Abschnitt von Avesta dar.

Die avestische Sprache ist der „Vedischen“ und besonders der „Rig-vedischen“ sehr nahe verwandt, weshalb das Verständnis von Zoroast­rismus das Studium vedischer Sprache notwendig macht. Avesta wurde bis zur islamischen Expan­sion im siebenten Jahrhundert möglicherweise mündlich überliefert. Nach die­sem bedeutenden Ereignis haben die Zo­roastrier mit der Verfassung des Avesta begonnen, um sich als Angehö­rige einer „Buchreligion“ zu schützen. So wurde die avestische Schrift auf Basis der „Pahlavi-Schrift“ entwickelt. Der Ausdruck „Pahlavi“ be­zeichnet gewöhnlich die Schriftart der Pahlavi-Texte, deren Spra­che je­doch Mittelpersisch ist. Alle bekannten Pahlavi-Texte wurden nach dem Untergang des Sassanidenreichs, etwa im 9. bis 10. Jahrhundert verfasst, wobei sie meist aus der Sassaniden-Periode selbst entstammen. Dēnkard, Bundahišn, Ardāvīrāz-Nāmag, Dādestān Dīnīg, Mīnōg ī Xerad, und Vizīdagīhā gehören zu den bekanntesten dieser Texte.

Nach der Islamisierung Irans wurde die komplexe Pahlavi-Schrift all­mählich durch Arabisch ersetzt, und auch die Zoroastrier fingen an, ihre religiösen Texte mit der arabischen Schrift zu verfassen. Teile ihrer heili­gen Texte und Literatur sind noch in der Sanskrit- und Gujarati-Über­setzung vorhanden (19. Jh.), weil viele Zoroastrier nach Indien immig­rierten.

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[1] Ein Vortrag im Rahmen der Ringvorlesungen “Religionen im Iran in Geschichte und Gegenwart“, Sommersemester 2011 an der Universität Paderborn.