Akhlak-i Muhsini – Der Prinzenspiegel – Die nützlichen frommen Lehren des Sheikhs Husain Waiz Kashifi

Kathleen Göbel

Aus der Encyclopedia of Islam erfahren wir über den Autor des Akhlak-i Muhsini Maulana Husain Waiz mit dem Beinamen Al-Kashifi (gest. 1505 in Herat), daß er in Herat lebte, wo er unter Sultan Husain Mirza das Amt eines Herolds ausübte.

Al-Kashifi ist der Autor verschiedener berühmter Werke, darunter auch Qur’ankommentare (Tafsir Husaini), sowie einer Biographie von Muhammad (Rouzat-ush-Shuhada), und verschiedener Werke über Astrologie, einer Veröffentlichung von Bidpais Fabeln im Persischen (Anwar Suheli – Rays of the Star Canopus), einer Anekdotensammlung (Lataif-ut-Tawaef) u.v.m.

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I – Über die Frömmigkeit

Kapitel II – Über die Aufrichtigkeit

Kapitel III – Über das Gebet

Kapitel IV – Über die Danksagung

Kapitel V – Über die Geduld

Kapitel VI – Über die Genügsamkeit

Kapitel VII – Über den Verzicht

Kapitel VIII – Über das Schamgefühl

Kapitel  IX – Über die Enthaltsamkeit

Kapitel X – Über den Anstand

Kapitel XI – Über die edle Gesinnung

Kapitel XII – Über die Entschlossenheit

Kapitel XIII – Über Arbeit und Beharrlichkeit

Kapitel XIV – Über Festigkeit und Standhaftigkeit

Kapitel XV – Über die Gerechtigkeit

Nachwort

Im Namen Gottes, des Allerbarmers, des Allerbarmherzigsten

Kapitel I – Über die Frömmigkeit

Dies handelt davon, wie man Gott, dem Allmächtigen dient: indem man einerseits Seine Befehle und die besonderen Pflichten ausführt und andererseits indem man unterläßt was häßlich und verboten ist – indem man sich Gebot und Verbot fügt und sich nach der Sunnah[1] des Propheten Muhammad[2], der unsere Zuflucht ist, richtet. Und für wahr, die Anbetung des Allmächtigen Gottes ist die Grundlage zum Glücklichsein in dieser Welt, ein Mittel zur Errettung und ein Weg zu Ehre im Jenseits.

Frömmigkeit ist ein Grundstock irdischen Glücks,

Frömmigkeit ist die Zierde zukünftiger Ehre.

Es ist somit richtig, daß ein König die Seiten im Buch seines Tuns mit der Handschrift der Frömmigkeit ziert, damit der Höchste Herr ihm alles geben möge, das sowohl in dieser Welt als auch in der kommenden für ihn zu Nutz und Frommen ist. Und je nach dem Maße der ihm verliehenen Autorität soll er den Gehorsam Gott gegenüber als seine Pflicht betrachten. Am Tage soll er sich mit den Angelegenheiten der Menschen befassen, des Nachts aber mit seinen eigenen Angelegenheiten.

Es ist überliefert, daß Murtaza Ali[3] (der Herr möge Sein Gefallen an ihm haben!) zu der Zeit, als er die Nachfolge des Propheten angetreten hatte, sich am Tage damit befaßte, die drückenden Sorgen der Leute zu regeln, um sich des Nachts dann in Frömmigkeit und Ergebenheit dem Schöpfer zuzuwenden.

Man fragte ihn: „Warum, o Fürst, erlegt Ihr Euch all diese Mühen auf? So gibt es für Euch weder am Tage eine Ruhepause, noch ein Ausruhen in der Nacht!“

Er antwortete: „Würde ich am Tage rasten, machte es die Staatsgeschäfte zunichte, und legte ich mich des Nachts zur Ruhe, so wäre am Tage des Gerichts mein eigener Zustand erbärmlich. Deshalb kümmere ich mich am Tage um öffentliche Belange und widme mich des Nachts dem Dienste Gottes.“

Einer der Herrscher von Herat[4] suchte Shah Sanjan[5] (Möge geheiligt sein, was von ihm in der Verborgenheit ist!) auf, damit er ihm Rat gebe.

Der Shah sagte zu ihm: „Wenn du dir Ruhm im Jenseits und Sicherheit im Diesseits wünschst, so laß des Nachts, wenn Gott gegenwärtig ist, dein Wehklagen über dein Elend nicht abklingen. Am Tage in deinem Palast aber wende dich stets dem Wehklagen der anderen zu.“

Du, dem die Diener Gottes alle gehorchen –

verrichte auch du deinen Dienst und gehorche dem Herrn!

Gürtet ein König seine Lenden im Dienste Gottes,

so gürten die Menschen sich ebenso im Dienste dieses Königs.

Und da die Neigungen des Volkes den Neigungen des Königs folgen, so heißt es: „Die Menschen sind des Glaubens ihrer Fürsten“. Daraus folgt, daß die Untertanen eines Königs, der fromm und gehorsam ist, genau darin dann auch ehrgeizig und bestrebt sind. Und mehr noch: Die Segnungen, die ihre Frömmigkeit erwirkt, werden sich auf sein Leben und sein Schicksal auswirken.

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[1] den Gepflogenheiten

[2] Religionsstifter des Islam und letzter Prophet, das Siegel der Propheten, lebte ca. 570 – 632

[3] Ali ben Abi Talib, Neffe und Schwiergersohn des Propheten Muhammad, verheiratet mit Fatima, trat als vierter Kalif die Nachfolge Muhammads an

[4] Stadt im Nordwesten Afghanistans

[5] Sufi Meister aus Afghanistan