In den Einsamkeiten Irans – Alfons Gabriels Expeditionen durch persische Wüsten

Prof. Dr. Roland Pietsch

1930 hat der deutsche Geologe und spätere Generalmajor Oskar Ritter von Niedermayer[1], der gemeinsam mit dem österreichischen Kunsthistoriker Ernst Diez[2] von 1912 bis 1914 eine wissenschaftli­che Persien-Expedition und von 1914 bis 1915 eine diplomatisch militärische Expedition nach Persien und Afghanistan[3] durchge­führt hatte, das 1929 in München und Berlin veröffentlichte Buch von Alfons Gabriel[4]Im weltfernen Orient. Ein Reisebericht“ in der angesehenen „Zeitschrift der Gesellschaft für Erdkunde zu Berlin“ besprochen. In dieser Besprechung heißt es unter anderem: „Jeder, der wie ich die iranischen Wüsten kennt, wird das schlicht und sachlich geschriebene Buch mit größtem Interesse lesen, jeden, der den eigenartigen Zauber der Kewir und Lut einmal erlebt hat, wird aufs neue die Sehnsucht nach der gewaltigen Natur dieses Wüstenhochlandes packen. Durch Gabriels Beobachtungen haben unsere Kenntnisse über die Lut und Kewir eine wesentliche Berei­cherung erfahren. Alle Achtung vor einem Laien, der mit solcher Gewissenhaftigkeit wissenschaftlich arbeitet und so reiche geogra­phische, geologische und ethnographische Ergebnisse nach Hause bringt, der mit einem solchen Forscherinstinkt seine Reiseroute wählt und mit so viel Entschlossenheit und – Glück verfolgt, der mit solcher Bescheidenheit von seinen Leistungen spricht, die jedes Lobes wert sind. Es ist kein Buch für die heutige oberflächliche an Abenteuerromane gewöhnte Leserwelt; es ist ein ernstes und doch außerordentlich anschauliches, durch vorzügliche Bilder und Kar­ten ergänztes Reisewerk, bestimmt für ernste Menschen, denen es wertvolle Anregungen gibt“. Wer war dieser Mann, der mit seiner Frau in den Jahren 1927/28 seine erste Forschungsreise durch das zentrale Persien gemacht hat.

Herkunft, Studium, erste Tätigkeiten als Arzt

Alfons Gabriel war sudetendeutscher Herkunft. Er wurde am 4. Februar 1894 in Beraun in Böhmen als Sohn eines k. u. k. Armee­generals geboren, der wegen eines Augenleidens verhältnismäßig früh in den Ruhestand treten musste. Die Familie zog 1903/04 nach Wien, wo Alfons das Gymnasium besuchte. Hier erwachte sein Interesse für Naturwissenschaften und Erdkunde. Er wurde dabei von dem an der Wiener Universität tätigen Zoologen Franz Werner (1867-1939) in das wissenschaftliche Arbeiten eingeführt. Ohne Wissen seiner Eltern unternahm er im Alter von achtzehn Jahren eine Reise nach Nordafrika, die über Keiruan/Tunesien in das Sendimentbecken Schott el-Djerid im Süden Tunesiens und schließlich in die Sahara führte. Diese Reise war für sein weiteres Leben entscheidend. Die Wüstenlandschaften ließen  ihn nicht mehr los. Sein Ziel war und blieb Wüsten zu bereisen und zu erfor­schen.

Nach der Matura begann Gabriel 1912 an der Universität Wien mit dem Studium der Medizin, das durch den ersten Weltkrieg unter­brochen wurde. Von 1914 bis zum Kriegsende diente er in einem Feldjäger-Bataillon zunächst in den Karpaten, später an der Grenze zu Italien. Nach dem Krieg setzte er sein Medizinstudium an der Universität Wien fort und beschäftigte sich zugleich mit Fragen der Wüstenbildung. Wichtige Anregungen entnahm er dabei dem grundlegenden Buch des deutschen Geologen und Paläontologen Johannes Walter (1860-1937): „Das Gesetz der Wüstenbildung in Gegenwart und Vorzeit“, das 1900 in erster Auflage in Berlin er­schienen war. 1920 promovierte Gabriel an der Universität Wien und durchlief anschließend eine zweijährige Ausbildung am Wil­helminenhospital in Wien. Danach übernahm er eine Arztstelle im niederländischen Regierungsdienst auf der Insel Bonaire in der südlichen Karibik. Neben seiner Arbeit als Arzt unternahm er zu­sammen mit seiner Frau Agnes, die ihm auf die Insel gefolgt war, Reisen zu den Indianern Südamerikas.

Im Jahr 1925 kehrte Gabriel nach Europa zurück und erwarb an der Universität Groningen das niederländische Arztdiplom. Ein Jahr später übernahm er die ärztliche Betreuung von indonesischen Mekkapilgern, die er aus ihrer Heimat bis nach Djeddah begleitete.

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[1] Über Leben und Werk Niedermayers: Christoph Jahr, Niedermayer, Oskar von, in: Neue Deutsche Biographie,  19. Bd., Berlin 1999, 225 f.; Hans-Ulrich Seidt, Berlin Kabul Moskau – Oskar von Niedermayer und  Deutschlands Geopolitik, München 2002.

[2] Über Leben und Werk von Ernst Diez: Oktay Aslanapa, Ernst Diez, in: Beiträge zur Kunstgeschichte Asiens – In Memoriam Ernst Diez, Istanbul 1963, S. XI-XV; Diez, Ernst, in: Metzlers Kunsthistoriker Lexikon, Stuttgart 1999, 59 ff.

[3] Renate Vogel, Die Persien- und Afghanistanexpedition Oskar Ritter von Niedermayers 1915/16, Osnabrück 1976.

[4] Über Leben und Werk von Alfons Gabriel: Hans Bobek, Alfons Gabriel – Ein Forscherleben, in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, Wien 1964,Bd. 106, 71-78, im Folgenden abgekürzt: MÖGG;; Hubert Partisch, Alfons Gabriel, in: Österreicher aus sudetendeutschem Stamme, Bd. IV, Wien 1967, 158 f.; Hans Bobek, Alfons Gabriel +, in: Mitteilungen der Österreichischen Geographischen Gesellschaft, Wien 1977, Bd. 119, 261; Biographisches Lexikon zur Geschichte der Böhmischen Länder, Bd. 1, München 1979, 408; Biographische Enzyklopädie deutschsprachiger Mediziner, Bd. 1, München 2002, 205; Biographische Enzyklopädie deutscher Naturwissenschaftler, Bd. 1, München 2003, 263; Deutsche Biographische Enzyklopädie, Bd. 3, München 2006, 65; Deutsches Literatur-Lexikon – Das 20. Jahrhundert, Bd. 10, Zürich 2007, 346 f.;